Stahlbranche öffnet das Tor zu Equal Pay

Am 30. September berichtete Spiegel online in aller Früh: „Stahl-Tarifabschluss stärkt Leiharbeiter“. Laut IG Metall gibt es erstmals in einem Flächentarifvertrag eine Fairness-Garantie für Zeitarbeiter. Er besagt, dass Leiharbeiter ab 2011 den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft bekommen.
Dieses Verhandlungsergebnis kommt doch sehr überraschend! Noch vor zwei Wochen äußerte sich der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall Martin Kannegiesser im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ganz anders. Er sprach sich umfassend gegen die Systematik der gleichen Bezahlung von Mitarbeitern von Zeitarbeitsfirmen und Stammbeschäftigten der Stahlarbeitgeber aus: „Für uns ist die Zeitarbeit auch wichtig. Wir sind Betroffene, aber wir stehen nicht unmittelbar in der Verantwortung. Man muss begreifen, dass wir keine Zeitarbeiter einstellen. Wir schließen Verträge mit den Verleihfirmen, es sind aber nicht unsere Mitarbeiter. Für Leute, mit denen wir gar kein Vertragsverhältnis haben, können wir keine unmittelbaren Vereinbarungen treffen. Wir sind deshalb der falsche Gesprächspartner. Die Zeitarbeit ist eine eigenständige Branche mit Arbeitgeberfunktion. Die Zeitarbeitsfirmen müssen eigene Maßstäbe für die Bezahlung ihrer Leute finden. Wir sehen das Problem, aber die Dinge werden völlig vermischt.“
Es stellt sich also die Frage: Warum ist die Stahlindustrie in Nordwestdeutschland auf die Gewerkschaftsforderung eingegangen? Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Metall, Bernhard Strippelmann, ließ verlauten, die Leiharbeit habe in der Stahlindustrie nicht die Bedeutung wie in anderen Branchen. Der Anteil der Leiharbeiter liege bei etwa drei Prozent. Schon jetzt würden viele der 3.000 Leiharbeiter den gleichen Lohn erhalten.
Nach Ansicht von Prof. Dr. Volker Rieble aus München widerspricht es zwar der europäischen Zeitarbeitsrichtlinie, die Arbeitsbedingungen für Zeitarbeitnehmer im Stahltarifvertrag zu reglementieren. Gleichwohl besteht Anlass zur berechtigten Annahme, dass der Stahltarifabschluss Pilotfunktion für weitere Branchentarife besitzt und die Gewerkschaften sich sehr wahrscheinlich in den Verhandlungen durchsetzen werden. Aus diesem Grund sollten die Zeitarbeitsverbände in Erwägung ziehen, über ihre Mitgliedsunternehmen strategische Musterprozesse zu initiieren, um diese Tarifnormen zu Lasten Dritter durch den Europäischen Gerichtshof als europarechtswidrig deklarieren zu lassen.