AÜG-Reform und Digitalisierung im Mittelpunkt des 12. ES-Unternehmerforums. | Prof. Dr. Lembke: „Gesetzgeber brandmarkt Fremdpersonaleinsatz als Missbrauch.“ | BAP und iGZ wollen Zusammenarbeit in Zukunft vertiefen.

 

Die Folgen der gesetzlichen Neuregelungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), insbesondere die zunehmende gesetzliche Regulierung, und der digitale Wandel bewegen die Zeitarbeitsbranche! Beide Themen standen am 17. April 2018 im Mittelpunkt des 12. ES-Unternehmerforums für Personaldienstleister in Bad Nauheim, an dem rund 230 Entscheidungsträger aus der Branche teilnahmen.

Gastgeber Edgar Schröder ging in seinem Impulsreferat zum Status Quo der Branche direkt auf die Herausforderungen des neuen AÜG ein – und widmete sich dabei insbesondere der Bemessung der Überlassungsdauer: „Seit Monaten ein Riesenthema in den Bereichen Con-trolling und Contracting. Für die Prüfungspraxis stellt sich die Frage, ob sich zeitliche Lücken und Unterbrechungen von drei Monaten oder weniger herausrechnen lassen. Aktuell spricht vieles für die stringente Bruttobetrachtung, bei der auch unproduktive Tage wie Krankheits-, Urlaubs- oder Feiertage als einsatzverbrauchend gewertet werden.“

Auch Prof. Dr. Mark Lembke (Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei Greenfort) stellte das neue AÜG in den Mittelpunkt seines Vortrags. Dabei kam er zu dem Schluss, das Ziel der Regulierung sei in erster Linie die Förderung des sogenannten „Normalarbeitsverhältnisses“. „Der Gesetzgeber möchte offensichtlich, dass Kundenunternehmen Arbeitnehmer unbefristet auf Vollzeitbasis selbst anstellen“, resümierte Prof. Dr. Lembke. „Fremdpersonaleinsatz wird per se als Missbrauch gebrandmarkt. Ähnliches gilt für die Befristung von Arbeitsverhältnissen.“

Diese Auffassung teilten die Vertreter der beiden großen Zeitarbeitsverbände. Christian Baumann (iGZ-Bundesvorsitzender) analysierte die Reputation der Zeitarbeit in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft und stellte dabei fest: „Es gibt durchaus Politiker, die keinerlei Verständnis für unsere Branche haben.“ Im Endeffekt sei das aber nicht entscheidend, denn: „In der Politik geht es nicht um Realitäten oder Ratio aufgrund von objektiven Sachverhalten, sondern um Programmatik, Wählerstimmen und Machterhalt.“ An dieser Tatsache lasse sich – trotz aller Lobbyarbeit – nichts ändern. Trotzdem habe es die Zeitarbeit selbst in der Hand, ihr Image zu verbessern: „Dafür müssen wir als Branche selbstbewusst, mutig, integer, zukunftsgewandt und professionell auftreten.“ Sebastian Lazay (BAP-Präsident), stellte in seinem Vortrag politische Wahrnehmung und gelebte Praxis in puncto Equal Pay gegenüber. „Der Politik ging es bei der AÜG-Reform nicht um die Stärkung der Zeitarbeitnehmer, sondern um die Beschränkung der Branche.“ Gleichzeitig strahlte er aber auch Zuversicht aus: „Natürlich werden wir Equal Pay in den Griff bekommen. Die Zeitarbeit hat schon ganz andere Umbrüche erlebt.“

Mit den Auswirkungen des digitalen Wandels auf die Personaldienstleistungsbranche beschäftigten sich Tina Voß (Geschäftsführerin des gleichnamigen Zeitarbeitsunternehmens) und ihre Mitarbeiterin Julia Wohlfeld. Tina Voß blickte auf das Recruiting 4.0 und stellte die unterschiedlichsten Tools vor – von truffls über Talentwunder bis zu firstbird. Am Ende des Vortrags fasste Julia Wohlfeld zusammen: „Aktuell strömen viele verschiedene Technologien in den Markt. Ein Patentrezept für den Umgang damit gibt es nicht. Personaldienstleister sollten sorgsam prüfen, welche Lösung zu ihnen passt.“ Innovationsberater Ralf Freudenthal (futurebirds) empfahl den anwesenden Branchenvertretern im Umgang mit der Digitalisierung: „Fragen Sie sich, ob die Digitalisierung das Alleinstellungsmerkmal Ihres Unternehmens bedroht. Falls ja – überlegen Sie, wie Sie Kandidaten weiterhin einen Mehrwert bieten können. So eine nutzerbezogene Denkweise ist oft augenöffnend.“ Paul Johannes Baumgartner (unter anderem Buchautor und Moderator bei Antenne Bayern), der zu seinem „Lieblingsthema Begeisterung“ sprach, schlug in die gleiche Kerbe: „Wenn Sie Ihre Kunden nicht mehr fragen, wo sie stehen, sondern wo sie hinwollen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie sie begeistern werden!“

Bei der von Sven Astheimer (FAZ-Wirtschaftsredakteur) moderierten Podiumsdiskussion nahmen Tina Voß, Christian Baumann, Sebastian Lazay, Ralf Freudenthal und Edgar Schröder teil. Die Digitalisierung war auch hier das beherrschende Thema. Macht die „künstliche Intelligenz“ den Menschen überflüssig? Diese Befürchtung hatten die Diskutanten nicht. Tina Voß sagte dazu: „Wir müssen die Technik annehmen, mit ihr arbeiten und uns auch manche Tätigkeiten von ihr abnehmen lassen. Den tatsächlichen Mehrwert bringt heute und in Zukunft aber der Mensch. Die Technik unterstützt uns dabei.“ Zum Schluss wurde die Diskussionsrunde für Publikumsfragen geöffnet. Eine Teilnehmerin nutzte die Gelegenheit und fragte in Richtung der beiden Verbandsvertreter, ob sich die Wahrnehmung und Durchschlagskraft der Branche nicht durch eine Fusion von BAP und iGZ erhöhen ließe. Ohne konkreter zu werden, antwortete Sebastian Lazay: „Ich persönlich halte eine stärkere Zusammenarbeit für eine gute Idee.“ Dem pflichtete Christian Baumann bei: „Bei den wesentlichen Fragen unserer Branche müssen wir mit einer Stimme sprechen. Das geht nur über einen fortlaufenden Prozess der Kooperation und Annäherung – damit perspektivisch kein Blatt mehr zwischen uns passt.“

Ausführlichere Informationen zum 12. ES-Unternehmerforum erhalten Sie demnächst unter www.es-unternehmerforum.de.